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Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 03.11.2011 07:58von schifferlbauer • 157 Beiträge
Hallo alle zusammen
ich gehe einmal davon aus dass jeder Zeitraum vom 17. bis zum 19. Jahrhundert ein eigenes Farbschema hatte. Rot - Schwarz und Gold im 17.Jht. Ocker- Schwarz und Rot im 18.
Schwarz und Weiss im 19.
Ich gebe Eddie völlig recht wenn er meint ein "Weisser Untrwasserrumpf im 17. war nicht weiss. Schon der Erstanstrich war durch die Zugabe von Schwefel grün - gelblich grau. Durch die einwirkung von Salzwasser und Algen veränderte sich die Farbe wieder. Nur ob dann so ein Original Farbton ein Modell noch ansehnlich macht ist eine Geschmacksfrage. Da ich als Wiener nur die Möglichkeit habe den Farbton des Unterwasserrumpfes bei meinem Segelboot zu begutachten, kann ich über Originalschiffe wenig sagen, nur bei meinem Boot sieht der Unterwasserrumpf abscheulich aus. Daher muss man sicher bei der Farbe des Unterwasserrumpfes mit viel Gefühl arbeiten. Zu der schwarzen Farbgebung des Schanzkleides möchte ich anmerken, dass ein zu gleichmässiger Anstrich beim Modell eher nicht den Effekt eines Originals bringt , da bei einem Originalschiff mehrere Leute beschäftig waren das Schiff zu streichen und die dabei verwendeten Malerbürsten im Masstab umgrechnet relativ klein waren. Wenn man bedenkt dass die Farbe zum Schutz des Holzes noch mit Teer versetzt war kommt man zu der Einsicht, dass ein Anstrich mit zu glatter Oberfläche nicht sinnvoll ist.
Grüsse
Willi

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 04.11.2011 00:20von Kreuzberger • 137 Beiträge
Am besten ist es immer, Gemäldeabbildungen des entsprechenden Zeitraums zu analysieren. (Originalmodelle sind leider meist übermalt).
Luvansichten von Schiffen lassen ja in der Regel diese typischen Unterwasseranstriche sichtbar werden, die man dann natürlich in Relation zur übrigen Farbgebung des Schiffes, vor allem hinsichtlich der Helligkeit, interpretieren sollte. Es handelt sich dabei um ein mit Ocker und wenig Schwarz abgetöntes Weiß. Mehr als diese drei Farben sind da nicht drin.
Wie Willi schon richtig andeutet, sollte man sich schon vor dem Bau nicht nur darüber in Klaren sein, ob man ein Werftmodell imitieren, oder ob man ein Schiff möglichst realitätsnah darstellen möchte, sondern man sollte sich auch Gedanken darüber machen, in welchem Zustand es präsentiert werden soll.
Natürlich kann ein sauberer Anstrich nicht schaden, wenn es um die Abbildung eines werftneuen Schiffes geht. Das erfordert eben exaktes Arbeiten und Holzfans werden sich zurecht ärgern, wenn ihr geliebtes Material dabei unter einer sterilen Farbschicht verschwindet.
Gewisse Gebrauchs- und vor allem Verwitterungsspuren von Farbschichten lassen das Holz dagegen eher lebendig werden, wenn man einigermaßen geschickt vorgeht. Die Erbauer von Panzermodellen wissen das längst, nur im Schiffsmodellbau sind solche besonderen Effekte noch nicht allzu weit verbreitet.
Die Holzoberfläche kann entweder mit feinstem Schleifpapier eingeebnet und egalisiert werden, oder aber man lässt Ecken und Kanten stehen, lässt natürliche Risse zu oder arbeitet die Textur der Maserung und die Bearbeitungsspuren durch Breitbeil, Hobel und Dechsel heraus, was dann noch mit unsauberen Kalfaterungen garniert schon mal überaus authentisch wirken kann :-)

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 04.11.2011 07:58von schifferlbauer • 157 Beiträge

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 05.11.2011 01:53von Kreuzberger • 137 Beiträge
Hallo Willi!
Das sind zwei schöne Positivbeispiele für eine farbliche Harmonie zwischen Über- und Unterwasserschiff. Die naturgegebenen Unregelmäßigkeiten der holzsichtigen Beplankung werden ergänzt durch die Abnutzungserscheinungen und Korrosionsspuren des "Anti-Fouling-Anstrichs", und schon hat man ein in sich stimmiges Modell. Perfekt!
Hierzu noch die Abbildung des algenbewachsenen Unterwasserschiffs der Kampener Kogge. Koggen wurden wohl eher geteert, wie auch die Vasa, an der nicht die Spur eines schwefelhaltigen hellen Anstrichs gefunden wurde, aber egal. Man erkennt zumindest, wie so etwas aussieht, wenn das Schiff monatelang im Wasser war :-)
Dann noch ein Bild der Batavia. Am Wrack des Originals, das 1628 vor der australischen Küste gesunken war, fand man Reste einer "Wurmhaut", einer dünnen Bretterschicht, die dem Teredo navalis, der berüchtigten Schiffsbohrmuschel, zum Fraß angeboten wurde, in der Hoffnung, die Viecher würden die eigentlichen Planken in Ruhe lassen.
Interessant ist die unterschiedliche Färbung des Überwasserschiffs. Am Heck sehen die Eichenplanken noch ganz nett aus, während sie weiter vorne schon in eine annähernd schwarze Färbung übergegangen sind. Es hatte hier gerade geregnet; trocken sehen diese Schiffsseiten eher hellgrau aus, wie man das auch von vielen Gemäldeabbildungen her kennt.
Diese für den verfeinerten Geschmack des 17. Jahrhunderts zunehmend inakzeptable "Unansehlichkeit" der Eichenplanken war wohl der Grund für die um sich greifende Bemalung der Schiffe im bekannten Schwarz-Ocker-Schema :-)

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 05.11.2011 18:35von Kreuzberger • 137 Beiträge
Hallo Helmut!
1:25! Eine Jugendsünde also, dieser Maßstab :-)
Erle ist eigentlich ein schönes, relativ dunkles Bauholz. Vielleicht etwas weich und schwammig, aber sonst okay und auch billig. Im Blitzlicht sieht das hier wohl auch heller aus als dieses Holz eigentlich ist.
Aber verstehst du, was ich meine? Real sehen Schiffe eben anders aus, viel dunkler. Meine Idealvorstellungen sind ja inzwischen allgemein bekannt und berüchtigt, hehe. :-)=
Ich schau später nochmal rein...
Gruß Eddie

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 06.11.2011 00:08von Kreuzberger • 137 Beiträge
So, ich habe gerade mal in Werner Zimmermanns "Das etwas andere Schiffsmodell" geschmökert, das heute in meinem Briefkasten lag und möchte daraus einmal die folgende Passage zitieren:
"Bleiweiß ist eine der giftigsten Farben überhaupt, und das wissen auch die Bohrwürmer. Sie (diese Farbe) hatte nur den Nachteil, daß sie in ihrer Herstellung verhältnismäßig teuer war. Vermischt mit dem ebenfalls wirksamen Schwefel ergab sich aber ein Schutzanstrich, der auch dem härtesten Bohrwurm das Handwerk legte. Sicherheitshalber konnten noch zermahlene Kirchenfenster, Weihwasser, bei Vollmond gewonnenes Krötenblut und Ähnliches beigemischt werden ... Das Ganze wurde mit Harz, Leinöl oder vielleicht sogar Holzkohleteer gebunden und dann in mehreren Lagen aufgestrichen, die jedesmal "gebrannt", also am Schiffsrumpf erhitzt wurden, damit das alles ins Holz einzog und sich mit den vorausgegangenen Schichten verband."
Ich liebe solche lakonischen Rezeptschilderungen, die den ganzen Aberglauben der christlichen Seefahrt so wunderbar wiederauferstehen lassen! Und ich liebe Zimmermanns Modelle, die eine Extraklasse im herkömmlichen Schiffsmodellbau darstellen. Im Berliner Technikmuseum sind einige seiner äußerst subtil gebauten und bemalten Langschiffe, Knorren, Koggen und Nefs zu bewundern.
Zu bemängeln ist allerdings seine rigide Vorstellung vom realen Ausmaß echter Vergoldungen an Kriegsschiffen des 17. und 18 Jahrhunderts. Hier übertreibt er ein wenig, wenn er zu dem Schluß gelangt, daß nahezu jede Vergoldung nur ein Fake war :-)
Auch sein kategorisches Urteil über die Unmöglichkeit blauer Anstriche in der Zeit vor 1700 hat sich inzwischen als nichtig herausgestellt. Insofern muß man sich schon fragen, wieso diese aus den 80er Jahren stammende Theorie in der aktuellen Neuauflage noch immer präsentiert wird :-(
Ich war neulich in einem anderen Forum auf dieses Buch gestoßen, und zwar im Zusammenhang mit dem von Zimmermann so genannten Scale-Effekt. Der besagt, daß Farben mit zunehmend größerer Entfernung zum Betrachter gebrochen, gefiltert oder auch vernebelt werden, je nach Wetterlage. Das war mir durch meine Beschäftigung mit der Malerei längst klar gewesen. Seit der Spätgotik werden grüne Wiesen und Wälder zunehmend blaugrau wiedergegeben, je weiter sie sich am Bildhorizont befinden. Ich hatte mir auch schon Gedanken darüber gemacht, was solche Erkenntnisse für den Modellbau bedeuten würden. Grundsätzlich Folgendes: Je kleiner der Maßstab, desto verblasster, trüber und gebrochener sollten die Farben sein! Ein 1:1250 Modell, das sich einen Meter vor mir befindet hat sich also gefälligst so zu benehmen, als ob es 1,25 Kilometer von mir entfernt wäre und das bedeutet doch einiges an dazwischenliegender Luftmasse. :-)
In unserem Maßstab sind das in der Regel immerhin noch 50 Meter (bei Helmut nur 15!) aber auch die haben eben einen gewissen Effekt auf die Farbwahrnehmung. Farben sollten also generell nicht zu grell und zu rein verwendet werden. Zimmermann beherrscht diese Kunst souverän. Er übertreibt seine Unfarbigkeit vielleicht sogar etwas, aber das verstärkt eher noch die absolut authentische Wirkung seiner Modelle.
Die angehängte Abbildung ist leider sehr kleinformatig und entsprechend verschwommen wiedergegeben. Die Segel sind übrigens aus Japanpapier gefertigt. Auch so eine Spezialität Zimmermanns :-)

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 06.11.2011 07:32von Kay (gelöscht)

Hallo Eddi,
das Buch habe ich auch, und die Theorie mit dem Blau war mir einleuchtend. Du sagst, sie ist widerlegt, habe ich da irgendwas verpasst?
Grüße Kay

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 06.11.2011 11:19von schifferlbauer • 157 Beiträge
Hallo
Zur Farbe Blau möchte ich anmerken, dass bereits Julius Cäsar erwähnte, dass die Britannier sich ganz mit Waid blau bemalen und daher ganz schrecklich aussahen.
Waid ist eine Planze aus der die Farbe Blau gewonnen wurde. In Deutschland gab es grosse Anbauflächen und die Erzeugung von Blau und der Export über Holland brachte manchen Gebieten grossen Wohlstand. Ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts wurde Waid dann durch Indigo ersetzt , das von den Holländernnach nach Europa gebracht wurde. Die Blaue Bemalung des Schanzkleides fand man im 17.Jahrhundert vor allem bei Französischen Schiffen.
Grüsse
Willi

RE: Farbgebung im historischen Schiffsmodellbau
in Schiffsdekorationen und Verzierungen des 17. bis 19. Jahrhunderts 06.11.2011 13:48von Kreuzberger • 137 Beiträge
Hallo ihr beiden :-)
Hier ein paar Fotos aus dem Vasamuseum, welche die in Spuren analysierten Blaupigmente zeigen.
Indigo erscheint mir ein ganz angenehmer Farbton zu sein. Es geht ja nicht darum, heutige Popart-Effekte zu produzieren, sondern eher um zurückhaltende Eleganz.
In einem Berliner Kunstgewerbemuseum wird das restaurierte Spiegelkabinett des ehemaligen Hofschnitzers Hoppenrath ausgestellt, dessen Deckenabschluß aus breiten Hohlkehlen besteht, die mit harzgebundener Smalte gefasst sind. Bei solchen Objekten stelle ich mir natürlich immer Barockschiffe vor und die Vorstellung ist schon sehr beeindruckend :-)
Warum Zimmermann Smalte als Pigment ausschliesst, ist mir ein Rätsel, denn die Wasserempfindlichkeit, die er behauptet, kann sich nur auf das Bindemittel, nicht aber auf das Pigment beziehen, das ja wasserdicht in der Öl- oder Harzschicht eingebettet ist. Auch seine Indigo-Aversion finde ich leicht hysterisch, als ob man über einen gebrochenen oder dunklen Blauton erst gar nicht diskutieren dürfte.


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